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Justiz will mehr Verbrechen

5. Juli 2014

Für einige überraschend, hat sich die Justiz gegen eine Freigabe von Cannabis ausgesprochen. Wir sprechen deshalb mit Justizminister Wolfgang Brandstetter.

TA: Herr Minister, Sie haben sich, als ÖVP Politiker verständlich, gegen eine Cannabis-Freigabe ausgesprochen. Fällt Drogenpolitik überhaupt in Ihr Ressort?

Wolfgang Brandstetter: Vorweg einmal, ich bin parteiunabhängig, ich vertrete lediglich bedingungslos die Linie der ÖVP,  und zu ihrer Frage: Natürlich fällt das in mein Ressort. Eine Substanz, deren Gefährlichkeit mit Kaffee zu vergleichen ist, hat ja wohl kaum etwas mit Gesundheitspolitik  zu tun.

Wir haben unsere Kamera vergessen.

Wir haben unsere Kamera vergessen.

TA: Aber die Justiz klagt ja immer wieder über Personalmangel und fehlende Ressourcen. Wäre es da nicht sinnvoll Delikte wie der Konsum oder Anbau weicher Drogen aus dem Strafrecht zu nehmen, schliesslich wird ja niemand geschädigt, ausser vielleicht der Konsument selbst.

Wolfgang Brandstetter: Gerade in Zeiten der Budgetknappheit muss auch das Justizressort nachweisen, dass es wirtschaftlich arbeitet. Die Rechnung ist ganz einfach, wie viel kostet die gesamte Justiz und wie viel Geld- und Haftstrafen schauen dafür raus. Gerade im Bereich der Drogenkleinkriminalität schaut da das Verhältnis ganz ausgezeichnet aus, ähnlich  wie bei Ladendiebstählen.

Wolfgang Brandstetter:

TA:  Führt diese Betrachtungsweise nicht zu einer Ungerechtigkeit nach dem Motto, die Kleinen hängt man und die Grossen lässt man laufen?

Wolfgang Brandstetter: Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass die Justiz für Gerechtigkeit zuständig wäre. Uunser Geschäft ist die Rechtsprechung. Natürlich wird dieser Vorwurf im Einzelfall erhoben werden, das ist jedoch kein wirkliches Problem.  Nehmen wir einmal zur Verdeutlichung den Fall der Cannabisstauden in Zirl. Derzeit wird, vor allem in Internet, der übertriebene Fahndungsaufwand massiv kritisiert. Hier wird es Aufgabe der Justiz sein nachzuweisen, dass die zwei Tatverdächtigen Cannabis etwa auch an Freunde weitergegeben haben, Wenn das gelingt handelt es sich nicht mehr um 2 Studenten sondern um eine Drogenbande. Gerade in Tirol würde eine Schlagzeile „Drogenbande verurteilt“ automatisch die Gedanken in Richtung Nordafrikanerszene richten und die Zustimmung der Bevölkerung wäre uns sicher.

TA:  Finden Sie das in Ordnung?

Wolfgang Brandstetter: Als Justizminister muss ich hier vor allem wirtschaftlich denken. Stellen Sie sich vor, Cannabis wird freigegeben. Wir wären sofort mit der Forderung konfrontiert, dass wir die freigewordenen Kapazitäten etwa in die Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftsverbrechen umschichten sollen, und mit welchem Ergebnis frage ich Sie?
Jahrelange komplizierte Ermittlungen, Beschuldigte, die mit einem Heer ausgezeichneter Anwälte aufmarschieren.  Der BAWAG-Fall hat insgesamt 6 Jahre gedauert. Herausgekommen  sind insgesamt 19 Jahre Haft. 19 Jahre,  das bringe ich mit einer Handvoll Junkies in einem halben Jahr auch zusammen.

TA:  Sie bleiben also bei der Ablehnung der Cannabis-Freigabe?

Wolfgang Brandstetter: Nicht nur das, ich könnte mir auch vorstellen, dass auch ortspolizeiliche Vorschriften, wie das Alkoholverbot in Innsbruck oder bestimmte Rauchverbote ebenfalls dem Strafrecht unterworfen werden.

TA:  Wir danken für dieses offene Gespräch.